Der letzte römische Kaiser des Westens Romulus Augustulus 476 n. Chr. wird vom Germanen Odoacer abgesetzt und übergibt ihm die Reichsinsignien. Holzstich, 19. Jahrhundert. Foto: Granger - Historical Picture Archive / Alamy Stock Foto

Erneute Götterdämmerung des Westens

Kulturelle Entwurzelung und interne Konflikte führen zur globalen Machtverschiebung. Ein Abgesang

Der letzte Kaiser des weströmischen Reichs, Romulus Augustulus, wurde als Knabe zum letzten Herrscher des Römischen Reichs ausgerufen. Bis zu seiner Absetzung durch den Germanen Odoacer, der als Offizier in der römischen Armee diente, fungierte er als Marionette seines Vaters, der es vorzog, aus dem Hintergrund zu agieren und die Strippen von Macht und Intrigen zu ziehen. Es waren die Germanen, obgleich Theoderich der Große immer als Bezwinger Roms benannt wird, die dem römischen Imperium, geschwächt durch Dekadenz, Intrigen und Vetternwirtschaft, den sprichwörtlichen letzten Rest gaben. Der Schweizer Autor Friedrich Dürrenmatt (1921–1990), hat die letzten Tage Roms in einer historisch sehr freien interpretierten Komödie mit dem ironischen Titel „Romulus der Große“ uns hinterlassen. Heute, wie damals im Jahr 476 n. Chr., als das Weströmische Reich unterging, geschieht Epochales in der Welt – die alte, globale Ordnung westlicher Prägung scheitert. Sie scheiterte, wie alle Großreiche, hauptsächlich an sich selbst: politischer Instabilität und Korruption, militärischen Niederlagen, wirtschaftlichen Problemen, der Überdehnung seiner Macht, internen Konflikten und Bürgerkriegen, Migration und Invasion fremder Völker. Ist es nicht erstaunlich, wie der Untergang des Römischen Reichs dem Untergang der westlichen Hegemonie unter Führung der USA ähnelt?

Nun wird der scharfsinnige Beobachter einwenden, dass es verfrüht sei, von einem Untergang des Westens zu sprechen. Wirklich? Der Untergang von Reichen vollzieht sich nicht von einem auf den anderen Tag. Es ist ein schleichender Prozess, vergleichbar mit Unkraut, was beginnt ein blühendes, farbenreiches Blumenbeet langsam, unmerklich, Stück für Stück zu überwuchern. Es scheint fast so, als habe der deutsche Philosoph Oswald Spengler mit seinem erstmals zwischen 1918 und 1922 veröffentlichten zweibändigen Werk „Der Untergang des Abendlandes“ recht behalten, wenngleich damals wie heute seine Kritiker ihm Determinismus (Unausweichlichkeit von Ereignissen), Pessimismus und Fatalismus vorwerfen. Die Kritiker der Gegenwart werfen ihm, oh Wunder, Rassismus und Eurozentrismus vor. Letztlich bewahrheiten sich einige seiner Voraussagen im Hier und Jetzt. Wenn Spengler davon schreibt, dass Kulturen zyklischen Entwicklungsphasen unterliegen und, dass das Abendland seinen Zenit überschritten hat, dann hatte er damals schon recht.

Die gesellschaftliche Dekadenz schreitet fort: Mittlerweile sind die westlichen Gesellschaften „woke“ durchtränkt (aus dem Englischen, gleich „aufgewacht“). Die woken Protagonisten und ihre „peer groups“ (eine Menschengruppe, die ähnliche Interessen u. Werte vertritt) reagieren hypersensibel, geradezu hysterisch auf Kritik. Sie fordern „Toleranz“ ein, welche sie wie selbstverständlich zur Akzeptanz umdeuten. Sie dominieren den gesellschaftlichen und zunehmend den politischen Diskurs in den westlichen Gesellschaften. Die politischen Akteure sind infiltriert von Vertretern dieser „woken“ Kaste, die sich gerne den Gutmenschenmantel umhängen, damit ihre Argumentation verfängt. Die gesellschaftliche Mehrheit erklären sie in Talkshows, Pressekampagnen und Gastbeiträgen der massenmedialen Leitmedien mittels unterschwelliger Drohungen de facto zur Minderheit. Mittels „Bildungsministerien“ schreiben sie die Schulpläne nach ihrem Gutdünken um. Kommunisten und Nationalsozialisten gleichermaßen wussten, dass es essenziell ist, die „Herrschaft über die Kinderbetten“ zu erlangen. Dies gelingt in einem obrigkeitshörigen Land, mit permanent in Angst gehaltenen Menschen, was seit 1945 stets auf seine Verantwortung aufgrund geschichtlicher Ereignisse hingewiesen wird (Judenverfolgung und Judenvernichtung), besonders gut. Dazu passt der Amtseid des Bundespräsidenten, des Bundeskanzlers und der Bundesminister, in dem es mit Bezug zum deutschen Volk heißt, „seinen Nutzen“ zu „mehren“. Die deutsche Sprache mit ihren geschätzt 300.000 bis 500.000 Wörtern im aktiven Sprachschatz ist eine sehr präzise Sprache. Wenn also der Nutzen des deutschen Volkes gemehrt werden soll, dann stellt sich die Frage zugunsten von wem?

 

Herrschaft durch Steuerung und Manipulation der Völker

Mithilfe jenes historischen Stigma, im Volksmund „Nazikeule“ genannt, kann und wird jede berechtigte Kritik zum Schweigen gebracht. Mittlerweile hat der inflationäre Gebrauch von Bezeichnungen wie „Nazi“, „Rechts“, „rechtsradikal“ oder „rechtsextrem“ dazu geführt, dass diese kaum mehr Wirkung entfachen. Im Gegenteil, dadurch, dass jeder, der sich der veröffentlichten Meinung via Massenmedien entgegenstellt, also solcher bezeichnet, werden sie ihrer Wirkkraft beraubt. Alle diejenigen, die es noch wagen, eine eigene vom gesellschaftlichen und politisch vorherrschenden Narrativ abweichende Meinung öffentlichkeitswirksam zu artikulieren, werden direkt und/oder indirekt mit sozialer Vernichtung bedroht. Für das politisch-mediale Establishment reichen mittlerweile schon Fotos aus, auf denen man mit den vermeintlich „falschen Menschen“ abgebildet ist, um in den Fokus der Inquisition zu geraten. 

Der „Schuldkomplex“ wurde durch das 1996 erschienene Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ des US-amerikanischen Autors Daniel Goldhagen erneut befeuert und genährt, der über die Deutschen insgesamt als Tätervolk schreibt und in Interviews darüber sprach. Diese nicht nur in Goldhagens Buch suggerierte kollektive Gesamtschuld verunmöglicht, verbietet jede Diskussion nach nationaler Selbstbestimmung der Deutschen. Dies zeigte sich einmal mehr in der Leitkulturdebatte, die initial vor 24 Jahren im Jahr 2000 von Friedrich Merz (CDU) angestoßen wurde und gelegentlich, wenn es gerade ins politische Konzept passt, hervorgekramt wird – so geschah es 2017 durch den damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und im Jahr 2023. Dieser gegenübergestellt wird die Behauptung, Deutschland sei längst ein Einwanderungsland und sogar Multikulti sei. Man versteigt sich sogar zu der Aussage, dass Deutschland von Ausländern wieder aufgebaut worden sei. Es sei eine historische Verantwortung der Deutschen, dass sie nicht an sich selbst zuerst denken dürften, sondern dass sie eine besondere Verantwortung gegenüber den Völkern Europas hätten.

 

Gesellschaftliche Verrohung und Dekadenz, Denk- und Sprechverbote ebnen den Weg in den Untergang

Die westlichen Gesellschaften und die ihnen übergestülpten politischen Konstrukte befinden sich seit den 1960er-Jahren (Kulturrevolution), in starker zentrifugaler Bewegung, die von den Menschen bewusst oder unterbewusst als Instabilität und Bedrohung wahrgenommen wird. Die Vordenker der internationalen Kulturrevolution, Max Horxheimer, Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse haben, mit ihrer vorgenommenen Neuinterpretation des Marxismus, zu einer radikalen Umgestaltung nicht nur in Deutschland, sondern im gesamten Westen beigetragen. Es war und ist eine Revolution, die zwar entgegen ihrer Wortbedeutung nicht gewaltsam offen (abgesehen von den Terrorakten der Roten Armee Fraktion), aber dafür im Verborgenen ihre Blutopfer forderte und bis heute fordert. Daraus abgeleitet entstand das, was wir heute als „woke“ kennen. Übersetzt bedeutet es „wachsam“ oder „achtsam“. Dies bezieht sich jedoch ausschließlich auf „Bedürfnisse“ von Minderheiten, nach Anerkennung, Respekt und „Sichtbarkeit“. Diese diffusen Forderungen werden aktuell mit Hilfe eine willfährigen Politik konkretisiert und in Gesetze gegossen. Wie weit es die westliche, „woke“ durchtränkte Kulturrevolution bereits gebracht hat, zeigen die USA: In Umkehr des ohne Zweifel dort jahrzehntelang praktizierten Rassismus gegenüber Schwarzen, behaupteten Vertreter der 2013 erst gegründeten Bewegung von „Black Lives Matter (BLM), das ausschließlich Weiße schuld am Rassismus sind. Rassistische Gewaltverbrechen von Schwarzen gegenüber Weißen haben seit der Begründung von BLM zugenommen.

Ähnliche Entwicklungen eines umgekehrten Rassismus sehen wir hierzulande meist jugendliche und mitunter sogar kindliche Täter mit Migrationshintergrund und/oder ausländischer Staatsangehörigkeit, die Einheimische („Biodeutsche“) drangsalieren, nötigen, quälen, schlagen, teils über Stunden. Sie filmen die Taten und teilen sie auf Social Media. Dies sind angebliche „bedauerliche Einzelfälle“ heißt es dazu lapidar. Wir erinnern uns, Gruppenvergewaltigungen begannen auch als solche „bedauerliche Einzelfälle“. Sie sind mittlerweile an der Tagesordnung. Es werden Gesetze zugunsten von Minderheiten erlassen, die die Mehrheit benachteiligen. Dies wird angetrieben von einer Kultur des Auslöschens („cancel culture“) von nicht „genehmer“ Geschichte und Kultur, z. B. in der Umbenennung von Straßennamen in Berlin und anderswo. Heute wird propagiert, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Man spricht von sozialen Geschlechtern (Gender). Es wird akzeptiert, dass Menschen sich einmal im Jahr entscheiden können, welchem sie sich zugehörig fühlen, und dies können sie dann (in der Bundesrepublik Deutschland) in ihren Ausweisdokumenten ändern lassen. Das am 10. April 2024 im Bundestag beschlossene Gesetz, welches zudem ein Outing Verbot inklusive Geldstrafe in Höhe von bis zu 10.000 EUR festschreiben soll, steht kurz vor der Verabschiedung. Bereits vor der Gesetzesinitiative der Ampelregierung war es Menschen möglich, Geschlechtsumwandlungen auf Kosten der Allgemeinheit (via Krankenkassen) vornehmen zu lassen. Die als Selbstbestimmung verbrämte Selbstverstümmelung, mittels Gesetz nunmehr garantiert, wird aus liberaler Sicht als Fortschritt gefeiert. Eine stabile, primär zukunftsfähige Gesellschaft benötigt im Kontext von Existenz jedoch charakterlich stabile Menschen. Das Gesetz ist der letzte Akt einer menschlichen Revolution gegen die göttliche Ordnung. Es steht in der logischen Konsequenz von gesetzlich garantiertem Recht auf Abtreibung und dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben (Suizid). Die menschliche Zerstörung ist somit als „Staatsräson“ zementiert und wird einer mehr schlecht als recht funktionierenden Gesellschaft den „Rest geben“.

Die Einebnung der Gesellschaft führt zunehmend und für die sich in der Vorhand wähnenden Akteure zu herben politischen Rückschlägen. In den Umfragewerten liegt die noch herrschende Ampelregierung prozentual hälftig unter den Zustimmungswerten, dies sie vor drei Jahren zudem in der Bundestagswahl erhalten hat. An eine Wiederwahl ist kaum zu denken. Die unnachgiebige Politik der Umgestaltung, frei nach dem Motto „Jugend forscht“ führt zur Ernüchterung und Frustration im Wahlvolk. Die dadurch ausgelösten Fluchtbewegungen (nicht übers Mittelmeer) an die politischen Ränder, von denen man sich vergeblich Heil in der Not erhofft. Die Politik scheint infiziert von einem Virus der Unaufrichtigkeit und Rückgratlosigkeit. Man möchte fast mit Friedrich Schiller rufen: „Untergang der Lügenbrut“. Während man in der Zeit des „Kalten Krieges“ noch wusste, wo „der Feind“ steht, war dies seit den magischen Wendejahren zunächst unklar, bis dann mit dem „internationalen Terrorismus“ ein neuer Feind gefunden wurde.

 

Spiel im Schatten: mit der systemischen Fusion zur Weltherrschaft

1990 reklamierten zunächst die USA und in deren Schlepptau die NATO den Sieg über die Sowjetunion für sich. Mithilfe des Wettrüstens, (Stichwort: SDI – Weltraumabwehr unter US-Präsident Ronald Reagan) gestützt auf einen militärisch-industriellen Komplex hatte sie, so lautet eine Erzählung, das wirtschaftliche Rückgrat der Sowjetunion gebrochen. Eine andere Begründung lautet, die Bürger der DDR haben den Fall des Eisernen Vorhangs erzwungen, infolgedessen, der Hauch der Freiheit durch den Ostblock wehte, der in Kombination mit Michail Gorbatschows Politik der Perestroika zum Zusammenbruch der kommunistischen Ordnung führte. Andere führten den Einfluss der polnischen Gewerkschaft Solidarność und die politischen Aktivitäten des polnischen Papstes Johannes Paul II. an, die zum Untergang des Kommunismus beitrugen.

Was ist jedoch, wenn alle diese Argumente nur von den tatsächlichen Gründen ablenken sollen? Was ist, wenn der Untergang der Sowjetunion und des danach folgenden Aufstiegs der USA zur einzigen Weltmacht nur Teil eines „großen Spiels“ war, basierend auf der hegelianischen Dialektik? Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) war ein deutscher Philosoph, der eine Methode des Denkens und Argumentierens erfand. Sein Prozess des Denkens unterteilt sich in drei Schritte: These, Antithese und Synthese. Was hat dieser Ansatz nun mit Historie zu tun? Vordergründig waren es immer politische Konstruktionen, die im Widerspruch zueinanderstanden: in der Neuzeit waren dies einerseits der Kapitalismus und andererseits der Kommunismus.

Ausgehend vom hegelianischen Denken lautet die These: Der Kapitalismus hat gezeigt, dass er dem Kommunismus überlegen ist – denn letzterer ging 1990 unter. Der Kapitalismus hingegen „herrscht“ bis heute. Die Antithese besagt, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Eine Eigenschaft, die sozialistischen, genauer gesagt kommunistischen Systemen zugeschrieben wird. Somit lässt sich die Synthese wie folgt formulieren: Die Fusion von Kapitalismus und Kommunismus ist das am besten geeignete neue System, um einen höchstmöglichen Wohlstand durch eine kapitalistisch geprägte Wirtschaft zu errichten, die durch sozialistische Elemente den sozialen Ausgleich garantieren. Das prominenteste Beispiel für die Fusion aus Kapitalismus und Kommunismus ist China. Es handelt sich um einen undemokratischen Einparteienstaat, indem die Kommunistische Partei (KPCh) die zentrale Planung und Kontrolle innehat, jedoch wirtschaftliche Freiheiten ermöglicht und die Meinungsfreiheit nur in vorgegebenen, systemkonform Bahnen zulässt. Aber auch andere Staaten scheinen nach diesem hegelianischen Modus Operandi in umgekehrter Weise zu agieren. Vom Kapitalismus aus, bewegt man sich in Richtung Kommunismus, um die lästige Meinungsfreiheit endlich loszuwerden. Vorneweg die USA, gefolgt von ihrem unterwürfigen und untertänigsten Vasall, der Bundesrepublik Deutschland.

 

Deindustrialisierung und wirtschaftliches Verfall schwächt Europa und die USA

Parallel zum politischen Umbau der westlichen Demokratien in sozialistisch-autokratisch regierte Staaten mit kapitalistisch geprägten Wirtschaftssystem, kämpfen die USA um den Erhalt ihrer globalen Vorherrschaft. Der militärische Ukraine-Konflikt ist dabei nützlich, Europa insgesamt zu schwächen und eine russisch-europäische Kooperation dauerhaft zu verhindern. Neben den selbst auferlegten Sanktionen gegen Russland, die den Europäern sehr schaden, schreitet insbesondere und auffälligerweise nur in Deutschland eine Deindustrialisierung voran. Während die Auswirkungen in jedem Land sehr unterschiedlich sind, teilen sie doch bestimmte Kernmerkmale. In Deutschland, wo die Industrie seit jeher das Rückgrat der Wirtschaft bildet, hat die Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland sowie die zunehmende Automatisierung zu einem deutlichen Rückgang traditioneller Fertigungsarbeitsplätze geführt. Diese Entwicklung hin zu einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft ist wesentlich länger in den USA zu beobachten, wo besonders der sogenannte „Rust Belt“ von der Schließung alter Industrieanlagen und dem Verlust von Arbeitsplätzen betroffen ist. In den USA und Deutschland zeichnet sich eine zunehmende wirtschaftliche Ungleichheit ab. Hoch qualifizierte, technische und Dienstleistungsberufe gewinnen an Bedeutung, während geringer qualifizierte Arbeitskräfte mit dem Verlust ihrer traditionellen Arbeitsplätze und einem Mangel an adäquaten neuen Beschäftigungsmöglichkeiten konfrontiert sind. Diese Ungleichheit wird weiter durch regionale Unterschiede verschärft, da bestimmte Gebiete von der De-Industrialisierung stärker betroffen sind als andere. Bedenkt man dann noch die ungebremste und unkontrollierte Zuwanderung von Menschen mit niedrigen oder gar keinen Bildungsabschlüssen, dann stellt sich die Frage, in welchen Berufen diese alle beschäftigt werden sollen, wo doch die Stellen in der Industrie abgebaut und in Ausland verlagert werden.

Auch das beliebte Argument, man brauche Zuwanderung, um das geringe Bevölkerungswachstum auszugleichen, schlägt fehl, denn Menschen, die in Wahrheit unqualifiziert sind und durchschnittlich zehn Jahre an Investment durch Steuertransfer benötigen, sind kaum in der Lage dieses Investment wieder an die Gesellschaft zurückzugeben und auch noch dazu beizutragen, die Renten zu sichern. Ein weiteres gemeinsames Merkmal ist der Umgang mit steigenden Energiepreisen. Während Deutschland vor großen Herausforderungen aufgrund seiner Energiepreispolitik und der Abhängigkeit von ausländischen Energiequellen steht, profitieren die USA noch von ihren umfangreichen fossilen Brennstoffreserven und der Fracking-Technologie, die niedrigere Energiepreise ermöglicht. Zum Nachteil seines wirtschaftlichen Konkurrenten Deutschland hat US-Präsident Joe Biden beschlossen, den Bau weiterer LNG-Terminals für den Export zu stoppen. Trotzdem wirkt sich die globale Energiewende auf beide Volkswirtschaften aus und erfordert strategische Anpassungen, die jedoch kaum erfolgreich sein werden, da ein technologisch funktionierender Ersatz für die konstante Energie liefernde Träger Gas und Erdöl nicht vorhanden ist.

Ein weiterer Aspekt der De-Industrialisierung ist der hohe Netto-Abfluss an Kapital aus Deutschland, insbesondere in den vergangenen Jahren, was ein Indiz für den Verlust an Attraktivität des Standorts Deutschland sein könnte. Der höchste bisher verzeichnete Netto-Abfluss wurde im Jahr 2022 mit rund 132 Milliarden USD gemeldet, was im Vergleich der 46 Staaten der höchste Abfluss war. Die Abflüsse sind teilweise auf die gestiegenen Energiepreise zurückzuführen, aber auch auf die Verschiebung von Investitionen in andere Länder innerhalb des Euroraums und in neue Märkte wie Asien und Amerika​​. Mit der Verlagerung der Produktion ins Ausland, beispielsweise in die Automobilindustrie, sind oftmals niedrigere Löhne und Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten verbunden. Dies wiederum hat negative Auswirkungen auf die Menschen und führt zu sozialer Ungleichheit und regionaler Stagnation. Besonders Menschen mit niedrigerem Bildungsniveau oder ohne spezielle Fähigkeiten sind betroffen, da sie es schwieriger finden, in neue Berufe zu wechseln oder auf dem veränderten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen​​.

 

Militärische und geopolitische Überdehnung lässt USA und NATO schwächeln

Die fatale Entwicklung, die beide Länder seit dem Ende des Kalten Krieges genommen haben, zeigt sich nicht nur in ihrer gesellschaftlichen Fehlentwicklung, sondern vor allem in der wirtschaftlichen und militärischen schrumpfenden Leistungsfähigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland steht dabei stellvertretend für alle anderen europäischen Länder, die sich im 75. Jubiläumsjahr der NATO-Gründung nur noch als Schatten ihrer selbst präsentieren. „Mehr Schein als Sein“ ist das Motto. Die aktuellen geopolitischen Herausforderungen, mit denen die USA und die NATO konfrontiert sind, haben sich durch eine Reihe von globalen Spannungen und Trends verstärkt. Zu diesen Entwicklungen gehören der Anstieg militärischer Präsenzen Chinas im Südchinesischen Meer, nicht zuletzt die Taiwan-Frage, die fortschreitenden technologischen Entwicklungen und die Handelsspannungen zwischen den USA und China, die zu einer komplexeren Beziehung zwischen diesen beiden Großmächten geführt haben. Diese Spannungen haben sich trotz einer starken Abhängigkeit im Handel und in der Wirtschaft beider Länder, insbesondere im Bereich des Energiesektors, verschärft, was wiederum Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeit der USA von chinesischen Energieimporten aufwirft. Die USA sind hinsichtlich des geführten Stellvertreterkrieges in der Ukraine und den Spannungen im Nahen Osten nunmehr in einen „Zweifrontenkrieg“ involviert. Dabei haben sich USA und NATO kaum vom über 20 Jahre andauernden Afghanistan-Debakel erholt, welches langwierig, kostspielig und letztlich nicht von Erfolg gekrönt war. Weitere militärische Engagements, insbesondere im Irak und in Afghanistan, haben die Grenzen der US-Militärmacht aufgezeigt und zu einer gewissen „Kriegsmüdigkeit“ sowohl in der amerikanischen Bevölkerung als auch bei einigen internationalen, vor allem europäischen Partnern geführt. Es ist zu beobachten, dass die USA die Verantwortung für die Durchführung des Stellvertreterkrieges in der Ukraine gerne auf die europäischen NATO-Partner abschieben möchten. Es ist sicherlich kein Zufall, das „le petit wuff“ (das Hündchen), Emanuel Macron, der französische Staatspräsident, die Stationierung von europäischen Bodentruppen in der Westukraine vorschlug und in der aufkommenden Diskussion darüber forderte, Denkverbote beiseitezulassen, um einen offenen Dialog darüber führen zu können. Diese Diskussion ist, ob der explosiven Lage im Nahen Osten, im Sande verlaufen. Sie wird sicherlich dann wieder zum Leben erweckt, wenn die russischen Truppen weitere Erfolge an der Front aufweisen und etwa die Millionenstadt Charkiw erobern. Allerdings und das scheint den Strategen in den USA und Europa langsam zu dämmern, entwickelt sich der Ukraine-Krieg zu einem „lost cause“ – einer verlorenen Angelegenheit. Anstatt Russland tatsächlich Schaden zuzufügen, verhält es sich umgekehrt. Die wirtschaftlichen Sanktionen der Europäischen Union (EU) fallen auf ihre Mitgliedsstaaten zurück. Insbesondere auf Deutschland, welches als Hochtechnologieland, auf günstige russische Energie angewiesen ist.

 

Der russische Bär ist aus dem Winterschlaf erwacht

Russland hingegen ist heute wirtschaftlich und militärisch stärker als 2022 zu Beginn der militärischen Spezialoperation. Nachdem Wladimir Putin hat erkennen müssen, dass es im Westen niemanden gibt, keinen Staatsführer, der mit ihm über eine friedliche Lösung des Konflikts verhandeln will, entschloss er sich, auf militärischem Weg die Voraussetzung zu schaffen, die den Sicherheitsinteressen Russlands dienen. Mit dem Scheitern der letzten Friedensverhandlungen in Istanbul, die von Großbritanniens Ex-Premier Boris Johnson im Auftrag der Biden-Regierung torpediert wurde, begann ein bislang nicht dagewesenes Aufrüsten des russischen Militärs, welches in Rekordzeit zu einer technologischen Aufholjagd, einer materiellen und signifikanten personellen Überlegenheit der russischen Streitkräfte führte. Mit dieser Aufrüstung kann der militärisch-industrielle Komplex im Westen und insbesondere in den NATO-Mitgliedsländern nicht mithalten. Zu lange hat man sich auf der „Friedensdividende“ ausgeruht – Rüstungskapazitäten wurden zurückgefahren, die Streitkräfte wurden einer personellen Schrumpfungskur unterzogen. Nicht nur die europäischen Armeen wurden und werden finanziell und materiell stiefmütterlich behandelt. Eine Analyse des Wall Street Journal zeigt auf, wie schwach Europa Armeen zu Zeit sind. Bestenfalls sind sie noch fähig, ein Expeditionskorps in ein Dritte-Welt-Land zu entsenden, aber kaum mehr in der Lage, ihre Länder in einem konventionellen Krieg zu verteidigen. Auch die einst stolzen US-Streitkräfte, 1991 auf dem Höhepunkt ihrer Stärke waren, sind heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie sind nicht einmal mehr in der Lage, ihre Rekrutierungsziele zu erreichen.

Russland wird, ob es nun will oder nicht, verdammt sein, Europa neu zu gestalten. Dies wird es nicht zwangsläufig militärisch erledigen müssen. Lediglich in der Ukraine wird sie dies jedoch müssen. Präsident Putin wird seine militärische Spezialoperation erst beenden, wenn die Entnazifizierung und Entmilitarisierung erfolgreich war. Mit diesem stellt sich dann die Frage der Neuordnung der Ukraine. Damit eröffnet sich insgesamt die einmalige historische Chance, Gebietsrevisionen der Vergangenheit rückabzuwickeln. Polen, Ungarn und Rumänien mussten nach dem Ende des 2. Weltkriegs Teile ihres Territoriums an die Ukraine abtreten. Deutsche Gebiete kamen unter polnische und russische Verwaltung. Eine Neuordnung Europas, ohne die Einmischung der USA, ist seitens Russland nunmehr denkbar und möglich. Im Gegensatz zu der degenerierten westlichen Staaten hat Russland nach der schändlichen Ära unter Staatspräsident Boris Jelzin einen Kurs der Rückbesinnung ihres kulturellen Erbes und ihrer Traditionen genommen. Der Mann, der das ermöglichte, ist der aktuelle Staatspräsident Wladimir Putin. Er versteht sich in der Tradition der Zaren als Bewahrer der jahrtausendealten russischen Kultur, die den Zusammenhalt in dem Vielvölkerstaat garantiert. Während der Westen aufgrund seiner Dekadenz an Kraft verliert, steigt umso mehr die (Strahl)Kraft Russlands, von der sich in Kombination mit China immer mehr Staaten der Welt angezogen fühlen. Der Zulauf zur internationalen Staatenorganisation BRICS, bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika traten im Januar 2024 vier weitere Länder bei, ist als Synonym einer veränderten Welt zu verstehen. Auf dem BRICS-Gipfel in Südafrika haben mehr als 40 Staaten ihr Interesse an einer Mitgliedschaft geäußert. 22 Staaten haben einen Antrag gestellt. Entwicklungs- und Schwellenländer, vom Westen enttäuscht, suchen ihren neuen Platz in einer multipolaren Weltordnung. In Russland und China sehen sie neue starke Partner, von denen sie annehmen können, dass diese sie auf Augenhöhe behandeln. Ein Augenmaß, welches den USA seit jeher fehlt.

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