Ist Nethanjahus letzte Aufgabe der Sturz des Regimes im Iran, bevor er selbst abtritt? Trump hingegen hält sich offiziell heraus und zieht im Hintergrund die Strippen.
Operation „Rising Lion“ der letzte Akt im Nahost-Drama?
Das Ende des Iran-Regimes könnte auch Netanjahu stürzen. Trump sorgt als Strippenzieher derweil für eine neue Friedensordnung
Erinnern wir uns daran, wie das Verhältnis zwischen Israel und den USA noch vor einem Jahr wirkte: unerschütterlich. Die Regierung Biden betonte immer wieder die bedingungslose Solidarität mit dem engen Verbündeten im Nahen Osten.
Doch nach dem 7. Oktober 2023, als Israel Ziel eines beispiellosen Angriffs durch die Hamas wurde – ein Angriff, der über 1.200 Menschenleben forderte – stellen sich weiterhin offene Fragen. Wie war es möglich, dass ein derart hochgerüsteter Sicherheitsstaat wie Israel, dessen Geheimdienste (Schin Bet, Mossad) zu den effektivsten weltweit zählen, keinerlei Vorwarnung hatte? Wie konnte ein so großangelegter Überfall an Israels lückenloser Überwachung vorbeigehen? Ein "Versagen" – oder ein blinder Fleck? Diese Fragen sind bis heute nicht abschließend beantwortet. Kritische Stimmen, darunter die israelische Zeitung Haaretz, sprechen von einem beispiellosen Versagen der Aufklärung.
Dass der Mossad grundsätzlich zur Elite der Nachrichtendienste zählt, zeigt sich derzeit in einer anderen Arena: der verdeckten Operation gegen die Islamische Republik Iran. Jenes Land, das von George W. Bush einst zur „Achse des Bösen“ gezählt wurde – gemeinsam mit dem Irak und Nordkorea. Dieses plastisch geformte Feindbild wurde tief in den westlichen Köpfen verankert. Und genau deshalb gab es auch jetzt kaum öffentlichen Protest, als Israel den Iran – mitten in diplomatischen Verhandlungen zum Atomprogramm – direkt angriff. Doch wird aus einem Staat wie Israel automatisch ein „Verteidiger des Guten“, nur weil er einen erklärten Feind angreift?
Auch der Einfluss Israels auf die US-Innen- und Außenpolitik wurde vielfach diskutiert – von linken wie konservativen Stimmen, aus patriotischen US-Kreisen ebenso wie aus alternativen Medien. Doch mit dem Angriff Israels auf iranisches Staatsgebiet scheinen sich die Machtverhältnisse innerhalb der jahrzehntelang eng abgestimmten Allianz zu verschieben. Unter Donald Trump vollzieht sich ein geopolitischer Kurswechsel: „America First“ bedeutet nicht mehr, selbst mit Bodentruppen oder Luftwaffe einzugreifen – sondern die militärische Konfrontation, wo möglich, an Partner zu delegieren. Israel übernimmt in diesem Szenario die operative Rolle vor Ort, setzt sich dem Risiko direkter Gegenangriffe aus, während die USA – strategisch im Hintergrund – Aufklärung, Koordination oder logistische Unterstützung leisten. Die Verlegung des Flugzeugträgers USS Eisenhower ins östliche Mittelmeer und verstärkte US-Flugbewegungen lassen vermuten, dass ein größeres militärisches Szenario vorbereitet wird – zumindest als Drohkulisse. Dass es dabei nicht nur um Vergeltung oder "Sicherheitsinteressen" geht, sondern um einen geopolitisch motivierten Regimewechsel im Iran, ist eine These, die immer schwerer zu entkräften ist.
Besonders bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist ein Schritt von Barack Obama: Im Jahr 2016 transferierten die USA 400 Millionen US-Dollar in bar an den Iran. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete damals, dass es sich nicht – wie teils vermutet – um ein Lösegeld handelte, sondern um die Rückzahlung für eine nicht erfüllte Waffenbestellung aus der Zeit vor der islamischen Revolution. Bereits 1981 hatte das neue Regime vor einem internationalen Schiedsgericht Klage eingereicht. Doch statt eines Urteils entschied sich die Obama-Regierung 35 Jahre später zur präventiven Rückzahlung – ergänzt um weitere 1,3 Milliarden US-Dollar an Zinsen. Die Begründung: Man wollte vermeiden, dass ein internationales Gericht eine noch höhere Summe festsetzt. Ein Präzedenzfall stiller Einigungen, ein geopolitischer Kuhhandel – oder Ausdruck diplomatischer Vernunft?
Zerrissenes Israel – Das Scheitern des Sicherheitsversprechens
Während Israel im Ausland zunehmend unter Druck gerät – diplomatisch wie militärisch – verschärft sich auch die Lage im Inneren. Die Bevölkerung, ohnehin tief gespalten seit dem Ausbruch des Gaza-Krieges, beginnt sich angesichts der Eskalation Fragen zu stellen. Was bedeutet die aktuelle Entwicklung für den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu? Mit jedem weiteren Raketen- und Drohnenangriff auf Tel Aviv, Haifa und andere Großstädte, mit jeder neuen zivilen Opferzahl, wächst der Zweifel: Warum kann Israel, trotz seines international gerühmten Iron-Dome-Systems, der US-gestützten Patriot-Abwehr und der fortschrittlichsten Überwachungstechnologien der Region, die Angriffe nicht wirksam stoppen? Die Frage, ob Netanjahu die Lage noch unter Kontrolle hat, steht immer deutlicher im Raum.
Mehrere iranische Hyperschallraketen durchdrangen im Juni 2025 die israelische Luftabwehr. Die Folge: massive Schäden im Zentrum von Tel Aviv, ein direkter Treffer in der Nähe des US-Generalkonsulats, Dutzende Verletzte, mindestens acht Tote. Die Bilder von zerstörten Wohnhäusern und Notoperationen im Herzen Israels brannten sich ins kollektive Gedächtnis.
Der Konflikt Israels mit dem Iran wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende des Mullah-Regimes bedeuten. Doch Netanjahu könnte am Ende dieser Operation selbst politisch Geschichte sein. Der militärische Schlag gegen Teheran könnte das letzte Kapitel seiner Amtszeit schreiben.
Hindernisse des Friedens – Netanjahu und die Mullahs
So wie die Mullahs im Iran einer nachhaltigen Friedenslösung im Nahen Osten im Weg standen – ihre Verhandlungsbereitschaft oft nur taktisch motiviert und auf Selbsterhalt ausgerichtet war – so war es auch der israelische Premier Netanjahu, der durch radikale Kräfte in seiner eigenen Regierung gezwungen war, keine einvernehmliche Lösung in der Palästinenserfrage zu suchen. Der innere Druck durch rechtsextreme Koalitionspartner ließ Netanjahu kaum Handlungsspielraum für diplomatische Initiativen. Hinzu kommt: Sowohl er als auch seine Ehefrau stehen weiterhin unter Korruptionsverdacht – Vorwürfe der Vorteilsnahme im Amt sind bis heute nicht restlos ausgeräumt. Außerdem könnte jederzeit eine andere innenpolitische Bombe explodieren und Netanjahu aus dem Amt fegen – nämlich sollte es sich herausstellen, dass die israelische Regierung von dem drohenden Anschlag gewusst hat und diesen aus politischem Kalkül zuließ, um anschließend das Argument schlechthin zu haben, den Gaza-Krieg zu entfachen.
Die berechtigten Sicherheitsinteressen Israels wurden in der jüngeren Vergangenheit häufig instrumentalisiert, um hart gegen Palästinenser vorzugehen. Gleichzeitig missbrauchte auch die Hamas die palästinensische Bevölkerung für ihre ideologischen Ziele. Führende Hamas-Funktionäre haben sich mit internationalen Hilfsgeldern – darunter westliche und arabische Zuwendungen – bereichert, während die reguläre Bevölkerung im Elend gehalten wurde. Kinder wurden frühzeitig zum Hass gegen Israel erzogen, Jugendliche zu Gewalt angestachelt. Der daraus resultierende islamistische Fanatismus, gestützt durch iranische Waffen und Logistik, machte den Nahen Osten zu einem unablässig brennenden Konfliktherd.
Es ist Zeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Dazu gehört auch eine Veränderung der politischen Führung in Israel – ebenso wie das Ende der iranischen Theokratie.
Trump – Der Friedenspräsident und Strippenzieher im Hintergrund
Donald Trump hat sich mehrfach kritisch über den Einfluss der Israel-Lobby auf die US-Politik geäußert. Im Wahlkampf 2024 wurde deutlich: Er will außenpolitisch klare Akzente setzen – für Amerika, nicht für andere.
Während des Besuchs Netanyahus in Washington im Februar 2025 schmeichelte dieser dem frisch gewählten US-Präsidenten Trump laut der „Deutschen Welle“ demonstrativ: „Sie sind der beste Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte.“ Trump nutzte das Treffen, um Netanjahu und der Welt seine Vision einer „Riviera des Gazastreifens“ und der Zwangsumsiedlung der Palästinenser vorzustellen. Die Empörung darüber, wie Trump vermeintlich selbstherrlich über die Zukunft von 4,9 Mio. Menschen entschied, war groß. Dabei war das wieder einmal ein typischer „Trump Move“. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Welt auf die arabischen Nachbarstaaten Israels, die in der Vergangenheit zwar selbst Palästinenser aufgenommen hatten, sich aber aktuell hartnäckig weigern, konstruktiv zu einer Lösung beizutragen, z.B. indem sie den Palästinensern eine neue Heimat bieten. Ausgemacht ist eine Lösung für den Gazastreifen offiziell nicht. Aus moralischer Perspektive ist es fragwürdig, ob es zu rechtfertigen ist, dass die ursprünglichen Bewohner Palästinas umgesiedelt werden sollen, um einen Frieden im Nahen Osten zu ermöglichen.
Im April 2025, beim zweiten Treffen der beiden Staatsmänner Trump und Netanjahu, veränderte sich die Beziehung zwischen Israel und den USA auffallend. Statt präferierter Partner schien Israel nur noch unter „ferner liefen“ zu rangieren. Netanjahu konnte Trump nicht davon überzeugen, keine Zölle auf israelische Importe zu erheben. Trump hingegen überraschte Netanjahu damit, direkt mit dem Iran über ein Ende seines Atomprogramms zu verhandeln. Offensichtlich hatte Trump nicht vergessen, wie undankbar der israelische Premierminister sich ihm gegenüber verhalten hatte, als er Biden zur Wahl zum US-Präsidenten gratulierte. Kurz vor dem Ende seiner ersten Amtszeit im Weißen Haus äußerte sich Trump im Dezember 2021 laut dem Informationsportal Axios erstmals negativ über Netanjahu:
„Der Erste, der [Biden] gratulierte, war Bibi Netanjahu, der Mann, für den ich mehr getan habe als für jeden anderen, mit dem ich zu tun hatte. ... Bibi hätte schweigen können. Er hat einen schrecklichen Fehler gemacht.“
Trump ist kein Kriegspräsident. Im Gegenteil: Er hat mehrfach öffentlich erklärt, dass er Kriege verabscheut – sein Ziel sei es, sowohl den Krieg in der Ukraine als auch die Gewalt im Nahen Osten zu beenden. Seine Nahost-Strategie zielt auf klare Machtverschiebungen ab: den Rückzug der USA aus direkter Konfrontation – bei gleichzeitiger Dominanz über Handelsbeziehungen und Bündnispolitik.
Dazu zählt auch seine Rolle bei dem sogenannten Abraham-Abkommen, das im Jahr 2020 zwischen Israel, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und dem Sudan geschlossen wurde. Ziel war eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen, wirtschaftlicher Austausch – und indirekt eine Isolierung des Iran. Die Abkommen beinhalten keine explizite Zwei-Staaten-Lösung, sind jedoch ein erster Schritt in Richtung Stabilität. Die Biden-Regierung hielt an ihnen fest, und auch unter Trump könnten sie zur Grundlage einer neuen Friedensordnung werden – sofern Israel und seine Nachbarn Verantwortung übernehmen.
Es ist mehr als wahrscheinlich, dass Trump seinen wohl stärksten außenpolitischen Hebel einsetzen wird: den der Zölle. Damit dürfte er Israel selbst, seine Nachbarstaaten wie Jordanien, Ägypten oder Saudi-Arabien über wirtschaftlichen Druck dazu bewegen, sich stärker an einer Lösung der Palästinenserfrage zu beteiligen – sei es durch humanitäre, diplomatische oder territoriale Beiträge.
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