Meinung zählt nur, wenn sie erwünscht ist

Warum Tucker Carlsons Kritik an Deutschland nicht widerlegt, sondern diffamiert wird – und was das über das deutsche Medienklima verrät.

Tucker Carlson ist kein Diplomat. Er ist auch kein Historiker, kein akademischer Analyst, kein Politikwissenschaftler. Er ist ein Provokateur – einer mit Millionenpublikum, rhetorischem Kalkül und journalistischem Instinkt. Als er der Bild-Zeitung ein Interview gibt, nutzt er genau diese Rolle: Nicht, um sich beliebt zu machen, sondern um den Deutschen etwas zu sagen, was sie von keinem ihrer Intellektuellen, Kommentatoren oder Minister je hören würden. Und genau deshalb trifft es.

Carlson tut, was in der deutschen Debattenkultur als unschicklich gilt: Er spricht Tabus an, ohne sie vorher als „komplex“ zu relativieren. Er sagt Dinge, die auf Stammtischen heimlich, in sozialen Netzwerken wütend – und in Feuilletons gar nicht gesagt werden dürfen. Er nennt Deutschland ein „masochistisches Land“, das „von Schuldgefühlen durchzogen“ und „gehirngewaschen“ sei. Und er fragt – mit der Naivität des Außenstehenden und der Brachialität des Medienprofis – warum Deutschland eigentlich zulässt, dass seine wichtigsten Energiepipelines mutmaßlich vom eigenen Bündnispartner zerstört werden, ohne dass jemand auch nur die Stirn runzelt. Die deutsche Medienlandschaft reagiert nicht mit Neugier, sondern mit Alarm. Kein Wunder. Denn was Carlson in wenigen Minuten formuliert, ist kein diplomatisch verpackter Debattenbeitrag – es ist ein Schlag in die Magengrube eines ganzen Selbstverständnisses. Carlson hält Deutschland nicht für souverän. Und schlimmer noch: Er hält es für ein Land, das sich damit abgefunden hat – und das seine eigene Schwäche mit moralischer Selbstveredelung verbrämt.

„Ich habe noch nie ein Volk erlebt, das sich so sehr selbst hasst“, sagt Carlson.
„Warum akzeptiert ihr das?

Warum lasst ihr zu, dass euer NATO-Partner eure Energieinfrastruktur zerstört und schweigt dazu?“

„Warum habt ihr 35.000 US-Soldaten auf eurem Boden, Jahrzehnte nach dem Krieg?“

Das sind keine Fragen, die Antworten erwarten. Es sind rhetorische Sprengsätze. Und sie treffen ein Publikum, das seit Jahrzehnten darauf konditioniert wurde, jeden Zweifel an westlicher Bündnistreue mit historischer Demut zu ersticken.

Die Deutschen sind es gewohnt, ihre Vergangenheit als moralisches Pfand zu tragen. Carlson macht daraus einen Makel. Wo deutsche Medien im Zweifel zur Entlastung neigen („Wir müssen aus der Geschichte lernen“), zieht Carlson die Schraube an: „Ihr habt aus der Geschichte gelernt, euch selbst zu verachten.“

Diese Diagnose ist überzogen, ja. Aber sie ist nicht substanzlos. Carlson operiert mit den Werkzeugen des amerikanischen Kulturkampfes, nicht mit denen eines europäischen Konsensjournalismus. Sein Ton ist scharf, sein Urteil pauschal – doch genau das macht es für viele Deutsche so schmerzhaft treffend.

Denn in der Substanz berührt Carlson Fragen, die im deutschen Diskurs lange unterdrückt oder beschönigt wurden:

  • Ist Deutschland wirklich souverän, wenn es bei NSA-Spionage, Truppenstationierung oder Nord-Stream-Sabotage faktisch keine Handlungsmacht zeigt?
     
  • Wie viel des offiziellen Selbstbilds basiert auf realer Autonomie – und wie viel auf ritualisiertem Gehorsam gegenüber den Erwartungen der USA und NATO?
     
  • Und warum ist die Kritik daran in deutschen Leitmedien so tabuisiert, dass sie nur von einem US-Amerikaner in einem deutschen Boulevardblatt formuliert werden kann?

Carlson spricht aus, was viele denken – oder zumindest erahnen. Nicht als differenzierter Debattenbeitrag, sondern als Provokation. Und das macht den Effekt umso stärker. In der deutschen Medienöffentlichkeit gibt es keine echte Debatte über geopolitische Abhängigkeit. Kritik an der deutschen Rolle im Ukrainekrieg, an der US-Außenpolitik, an der Nord-Stream-Zerstörung – all das wird schnell moralisch abgewertet oder als „Putin-Versteherei“ diffamiert. Carlson bricht diesen Konsens. Und das, so paradox es klingt, nicht als Russland-Freund, sondern als Amerikaner mit einem klaren, klassisch-konservativen Souveränitätsverständnis.

Er sagt nicht: Deutschland soll sich Russland zuwenden.
Er sagt: Deutschland soll sich selbst zuwenden.

Carlsons zentrale These ist dabei ebenso simpel wie radikal: Deutschland ist nicht Opfer der USA – sondern williger Vollstrecker seiner eigenen Unterwerfung. Die wahre Demütigung, so Carlson, ist nicht die Besatzung, sondern die Selbstverachtung.

Das ist eine steile These. Aber sie trifft – weil sie an eine Leerstelle rührt, die im deutschen Diskurs nicht mehr thematisiert wird: die Frage nach nationaler Würde, nach strategischem Selbstwert und nach der Fähigkeit, auch den eigenen Verbündeten zu widersprechen.

Tucker Carlson hat kein Interesse an deutscher Befindlichkeit. Er will auch nicht gefallen. Er will irritieren. Und das gelingt ihm. Nicht trotz, sondern wegen seiner Übertreibungen. Denn die deutsche Öffentlichkeit hat sich längst daran gewöhnt, dass Kritik nur in engen, moralisch kodierten Bahnen verlaufen darf. Carlson durchbricht diese Bahnen – und zeigt damit weniger, was in Amerika üblich ist, sondern was in Deutschland fehlt.

Seine Aussagen mögen holzschnittartig sein. Aber sie schneiden tiefer, als es vielen lieb ist. Und genau deshalb lohnt es sich, ihnen zuzuhören – nicht, weil sie wahr sind, sondern weil sie eine Wahrheit berühren, die hierzulande systematisch verdrängt wird.

"Wer so redet, kann nicht ernst genommen werden“ – Die Strategie der Absendervernichtung

Tucker Carlson sagte Dinge, die in Deutschland kaum jemand aussprechen würde – und der Mainstream reagierte, wie er immer reagiert, wenn das Sagbare herausgefordert wird: Er redete nicht über den Inhalt, sondern über den Absender.

Es ist ein bekanntes Muster in der deutschen Debattenkultur: Wenn eine Nachricht unbequem ist, wird der Überbringer diskreditiert. Wenn ein Argument zu scharf formuliert ist, wird die Wortwahl problematisiert. Und wenn Kritik zu direkt daherkommt, wird nicht gefragt, ob sie stimmt – sondern, was wohl die „Motivation dahinter“ sei. Man schützt nicht die Freiheit des Gedankens, sondern die Grenzen der eigenen Komfortzone. In diesem Klima hatte Carlson keine Chance – und genau deshalb war sein Interview so aufschlussreich.

Der Ton macht die Schlagzeile – aber nie die Debatte

Die Berliner Zeitung wählte als Überschrift:

„Tucker Carlson zerreißt Deutschlands Selbstverständnis: ‚Habe noch nie ein so masochistisches Volk erlebt‘“
Der Satz stand da, isoliert. Ohne Analyse, ohne Gegenargument, aber auch ohne inhaltliche Auseinandersetzung. Die Botschaft war klar: Das ist zu heftig, um darüber zu diskutieren.

Die Online-Plattform Wallstreet Online betitelte ein Video reißerisch:

„Dieses Interview BLAMIERT Deutschland – Tucker Carlson und Paul Ronzheimer“
Blamieren – das ist keine Beschreibung, das ist ein Gefühl. Kein Argument, sondern ein Affekt. Und genau darin besteht das Dilemma: Wo Carlson den Diskurs ankratzen wollte, wurde sofort ein Moralkorsett drübergelegt.

Die Methode ist nicht neu, aber in Deutschland besonders ritualisiert: Wer den Konsens stört, wird entwertet – nicht widerlegt. Carlson wurde nicht widersprochen, sondern eingeordnet. Nicht auf seine Aussagen, sondern auf seine Rolle reduziert. Nicht argumentativ, sondern atmosphärisch bekämpft. Er ist „Trump-nah“, „Putin-nah“, „rechts“, „populistisch“. Das reicht, um ihm keine Plattform zu geben – oder nur eine, auf der man sich demonstrativ von ihm distanzieren kann.

Der reflexhafte Kampf gegen Art und Weise – statt gegen das Argument

Was dabei systematisch übersehen wird: Carlson ist Amerikaner. In den USA ist politische Polemik ein Stilmittel – kein Ausschlussgrund. Amerikanische Meinungsjournalisten arbeiten mit Zuspitzung, Überhöhung, Provokation. Man kann das kritisieren, aber es disqualifiziert den Inhalt nicht automatisch. In Deutschland hingegen ist die sprachliche Verpackung oft wichtiger als der Inhalt. Der Diskurs wird nicht auf Argumente hin analysiert, sondern auf Tonalität. Und wer den Ton verfehlt, hat schon verloren – egal, ob er in der Sache recht hat.

Diese Haltung ist bequem – aber gefährlich. Denn sie immunisiert die öffentliche Meinung gegen jede Form unangenehmer Wahrheit. Wer nicht „angemessen“ formuliert, wird aussortiert. Wer zu hart argumentiert, wird moralisch delegitimiert. Und wer zu viel Kritik auf einmal äußert, gilt als „radikal“ oder „Verschwörungstheoretiker“. Das hat Methode – und Geschichte.

Die Ersetzung der Debatte durch Diskreditierung

In den Reaktionen auf Carlson zeigt sich ein Phänomen, das der Kommunikationswissenschaftler Noam Chomsky schon in den 1990er-Jahren diagnostizierte: „The smart way to keep people passive and obedient is to strictly limit the spectrum of acceptable opinion.“ Carlson bewegte sich außerhalb dieses Spektrums. Nicht, weil er Unsinn redete – sondern weil er den erlaubten Rahmen nicht beachtete.

Man sah das auch daran, welche Carlson-Aussagen in den Medien zitiert wurden – und welche nicht.
Zitiert wurde:

„Deutschland ist masochistisch.“
Zitiert wurde:
„Ich habe noch nie ein Volk gesehen, das sich so sehr selbst hasst.“
Nicht zitiert – und schon gar nicht diskutiert – wurde:
„Warum akzeptiert ihr, dass euer NATO-Partner eure Pipeline sprengt?“
„Warum habt ihr keine eigene strategische Außenpolitik?“
„Warum stehen 35.000 amerikanische Soldaten immer noch auf eurem Boden?“

Mit anderen Worten: Der deutsche Mainstream reagierte nicht auf Carlson, sondern auf eine Karikatur von ihm. Er bekämpfte nicht die Argumente, sondern das Image. Er diskutierte nicht – er neutralisierte.

Ein Beispiel für konditionierte Medienöffentlichkeit

Diese Form der Absendervernichtung hat einen systemischen Hintergrund. In Deutschland ist das „Sagbare“ eng gekoppelt an das „Sagbare durch die Richtigen“. Was jemand sagt, zählt weniger als wer es sagt. Das erklärt, warum ein Olaf Scholz öffentlich erklären darf, dass es „keine Hinweise“ auf eine US-Beteiligung an der Nord-Stream-Sabotage gebe – ohne dass jemand Beweise verlangt. Und es erklärt, warum ein Carlson, der genau diese Frage stellt, sofort verdächtig wird – nicht, weil er lügt, sondern weil er provoziert.

Diese Doppelmoral ist kein Zufall. Sie ist ein kulturelles Dispositiv – eine Mischung aus historischer Schuldverarbeitung, medialer Selbstzensur und politischer Angst vor Kontrollverlust. Carlson durchbricht dieses Dispositiv. Und genau deshalb reagiert man auf ihn nicht mit Argumenten, sondern mit Reflexen.

 

Wenn Meinungsfreiheit zur Einbahnstraße wird

Meinungsfreiheit ist das Fundament jeder offenen Gesellschaft. Doch in Deutschland scheint dieses Fundament zunehmend brüchig und in Auflösung begriffen – und zwar nicht durch offene Zensur, sondern durch eine asymmetrische Auslegung: Wer innerhalb des erlaubten Meinungskorridors spricht, darf viel sagen. Wer ihn verlässt, darf kaum auf Gehör hoffen. Und wer ihn infrage stellt, wird nicht selten öffentlich stigmatisiert.

Das Interview mit Tucker Carlson war in dieser Hinsicht kein Skandal – sondern ein Seismograf. Es zeigte, wo die Faultlinien der deutschen Meinungslandschaft verlaufen. Und wie schnell der Reflex greift, nicht über Inhalte zu diskutieren, sondern darüber, wer sich erlaubt, sie überhaupt anzusprechen.

Ein bequemer Konsens: Die Meinungsfreiheit gilt – aber nicht für jeden

Carlson stellte Fragen, die nicht neu waren. Sie wurden bereits von investigativen Journalisten wie Seymour Hersh aufgeworfen, von Historikern wie Josef Foschepoth belegt und von Verfassungsexperten wie Hans-Jürgen Papier angedeutet:
– Hat Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg je vollständige Souveränität erreicht?
– Ist die Stationierung fremder Truppen ein Zeichen strategischer Unterordnung?
– Dürfen wir als Bündnispartner auch US-amerikanische Machtpolitik kritisch hinterfragen?

Doch als Carlson sie stellt, ändert sich die Bewertung. Plötzlich sind es „Verschwörungstheorien“, „russische Talking Points“ oder schlichtweg „unseriöse Polemik“. Die Aussagen selbst ändern sich nicht – nur ihr Urheber. Und damit auch der Ton der Debatte.

Das ist kein Zufall. Es ist ein prinzipielles Muster deutscher Medienöffentlichkeit:

  • Kritik ist erlaubt, solange sie vom richtigen Absender kommt.
  • Zweifel sind legitim, solange sie nicht die offiziellen Narrative in Frage stellen.
  • Analyse ist willkommen, solange sie dem Konsens dient – nicht seiner Infragestellung.

Der Fall Nord Stream: Wer darf was infrage stellen?

Ein besonders eindrückliches Beispiel ist die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines. Als Seymour Hersh – ein mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Investigativjournalist – in seinem viel beachteten Artikel vom Februar 2023 ausführte, dass die USA hinter dem Anschlag stecken könnten, war die Reaktion in Deutschland bemerkenswert verhalten. Leitmedien wie Spiegel, ZEIT oder FAZ berichteten zwar, aber nie mit Nachdruck. Sie relativierten, vernebelten, zweifelten – weniger an den Fakten als am Absender. Hersh wurde als „gealtert“, „früherer Starjournalist“ und „allein arbeitend“ beschrieben. Die Inhalte seiner Recherche? Gerieten zur Randnotiz.

Als Carlson die gleichen Fragen in noch provokativerer Form stellt, ist die Reaktion nicht Zurückhaltung – sondern Abwehr. Nicht weil er Unrecht hat, sondern weil ihm das Recht auf diese Frage nicht eingeräumt bekommt. Denn Carlson ist „rechts“, „populistisch“, „Trump-nah“ – und damit als Fragesteller delegitimiert. Was er sagt, zählt nicht. Wer er ist, genügt.

Diese Form der diskursiven Ausgrenzung ist kein Ausrutscher. Sie ist symptomatisch für den Zustand der deutschen Debattenkultur. Es zählt weniger, was gesagt wird – als wer es sagt. Und daraus ergibt sich eine strukturelle Doppelmoral: Als der renommierte Investigativjournalist Seymour Hersh erklärte, die USA könnten für die Nord-Stream-Sabotage verantwortlich sein, reagierten deutsche Leitmedien mit höflicher Skepsis. Man stellte seine Recherche infrage, erwähnte aber respektvoll seine journalistischen Verdienste. Die Kritik wurde in Watte gepackt – sachlich, abwägend, distanziert.

Als Tucker Carlson im Bild-Interview dieselbe These aufwarf – allerdings in drastischerer Sprache –, war die Reaktion ganz anders: Nun war von „Verschwörungstheorien“ die Rede, von „Russlandnähe“ und „amerikanischem Trumpismus“. Der Inhalt der Aussage blieb gleich – doch der Absender reichte aus, um sie lächerlich zu machen.

Ein anderes Beispiel: Wenn der Historiker Josef Foschepoth die eingeschränkte Souveränität Deutschlands thematisiert – etwa die fortbestehenden Rechte der Alliierten oder das Fernmeldegeheimnis unter US-Kontrolle –, wird das als seriöse Geschichtsarbeit rezipiert. Wird jedoch dieselbe These von jemandem wie Carlson ausgesprochen, wird sie als „antideutsche Rhetorik“ oder „rechte Systemkritik“ verunglimpft.

Kurzum: Die Botschaft zählt nur, wenn der Bote genehm ist.

Meinung ja – aber bitte gefiltert

Diese Tendenz hat Auswirkungen weit über das Carlson-Interview hinaus. Sie erzeugt eine kulturelle Selbstzensur, in der nicht nur Journalisten, sondern auch Wissenschaftler, Künstler und Intellektuelle lernen, ihre Aussagen so zu verpacken, dass sie als „anschlussfähig“ gelten. Wer aneckt, riskiert Reputationsschäden. Wer zu deutlich wird, riskiert Ausschluss. Und wer sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung beruft, wird schnell mit dem Hinweis auf „Verantwortung“ zum Schweigen gebracht.

Die Folge: Ein Klima der Konformität. Die Medien berichten, was sich berichten lässt – nicht, was gesagt werden müsste. Regierungskritik wird selten zur Machtkritik, sondern bleibt meist auf der Ebene des administrativen Versagens: zu langsam, zu ineffizient, zu schlecht kommuniziert – aber nie: grundfalsch. Systemkritik wird entweder nach links (Klimaaktivismus) oder nach rechts (Populismus) verlagert – in der Mitte herrscht das große Schweigen.

Die verlogene Berufung auf „Anstand“

Besonders perfide ist dabei der Rückgriff auf moralische Kategorien: Wer außerhalb des Meinungskorridors argumentiert, dem wird nicht inhaltlich widersprochen, sondern es wird ihm Anstand, Integrität, Seriosität abgesprochen. So schafft man kein Gegenargument, sondern ein moralisches Überlegenheitsgefühl. Das funktioniert hervorragend, weil es nicht widerlegt werden kann. Und es erlaubt der Mehrheitsmeinung, sich selbst als alternativlos zu stilisieren – nicht weil sie wahr ist, sondern weil sie die lauteste ist.

Tucker Carlson wurde in deutschen Medien nicht als jemand behandelt, der eine unbequeme Debatte angestoßen hat. Er wurde behandelt wie ein Störenfried. Ein Provokateur. Ein Fremdkörper. Und genau das zeigt, wie dünn die Haut der deutschen Öffentlichkeit geworden ist.

Die Meinungsfreiheit existiert. Aber sie ist asymmetrisch. Sie schützt die Konsensmeinung – nicht die Abweichung. Sie erlaubt Kritik – solange sie ritualisiert, vorsichtig und mit ideologischer Absicherung formuliert wird. Wer davon abweicht, wird nicht argumentativ bekämpft, sondern symbolisch ausgeschlossen.

 

Nord Stream, NSA, Ramstein – die Frage nach der deutschen Souveränität, die keiner anfassen will

Es sind große Worte, die deutsche Politiker gern in den Mund nehmen: „voll souverän“, „paritätischer Bündnispartner“, „verlässlich in der westlichen Wertegemeinschaft“. Doch sobald es ernst wird – sobald es um strategische Interessen, Militärbasen, Geheimdienste oder Sabotageakte geht – wird es still. Oder besser: Es wird beschwichtigt. Hinterfragt wird nichts. Und genau das greift Tucker Carlson an.

Er fragt:

„Warum akzeptiert ihr, dass euer NATO-Partner eure wichtigste Pipeline sprengt und niemand fragt nach?“
„Warum steht die größte US-Militärbasis außerhalb der USA ausgerechnet in Deutschland?“
„Warum wird eure Kanzlerin abgehört – und niemand ermittelt?“

Was Carlson da formuliert, ist kein populistischer Rundumschlag. Es ist eine Anklage – gegen eine politische Klasse, die es sich in einem Zustand strategischer Ohnmacht gemütlich gemacht hat.

Nord Stream – Der Fall, über den man nicht reden darf

Am 26. September 2022 wurden beide Stränge von Nord Stream 1 sowie einer von Nord Stream 2 durch mehrere Explosionen zerstört. Die Pipelines galten als entscheidende Infrastruktur für Deutschlands Energieversorgung – insbesondere für die Industrie. Der wirtschaftliche Schaden war enorm, der politische kaum zu beziffern.

Doch die Reaktion?
– Keine scharfe diplomatische Protestnote.
– Keine Verurteilung eines mutmaßlichen Täters.
– Keine internationale Anklageerhebung.
– Stattdessen: Sprachlosigkeit, Ablenkung und ein Narrativ von ukrainischen Einzeltätern auf einer gemieteten Jacht, das eher an ein Drehbuch von Netflix erinnert als an eine realistische Aufklärung.

Als der Investigativjournalist Seymour Hersh im Februar 2023 seine Enthüllung veröffentlichte – basierend auf Insiderquellen, dass die USA (in Kooperation mit Norwegen) für den Anschlag verantwortlich seien – war die Reaktion der Bundesregierung entlarvend: Man prüfe die Informationen. Man äußere sich nicht zu laufenden Ermittlungen. Und Kanzler Olaf Scholz gab öffentlich zu verstehen, dass man keinen Anlass sehe, die USA zu verdächtigen – ohne eigene Erkenntnisse vorzulegen.

Carlson greift genau das auf – und bringt es auf den Punkt:

„Wenn euch jemand ins Gesicht schlägt und ihr sagt: Danke – seid ihr dann frei?“

Ramstein – Das globale Zentrum, über das niemand spricht

Die Air Base Ramstein in Rheinland-Pfalz ist nicht nur irgendein Stützpunkt. Sie ist das strategische Rückgrat der US-Militärpräsenz in Europa, zentrales Drehkreuz für Truppenverlegung, Materialversorgung, Kommandozentrale für Drohnenoperationen im Nahen Osten und Afrika. Von deutschem Boden aus werden tödliche Einsätze durchgeführt – ohne dass die deutsche Regierung nach ihrer Zustimmung gefragt wird.

Spätestens seit den Enthüllungen durch Edward Snowden ist bekannt, dass Ramstein bei extralegalen Tötungen via Drohne eine Schlüsselrolle spielt. Die Bundesregierung beruft sich regelmäßig darauf, „nicht informiert“ gewesen zu sein. Doch der damalige Generalbundesanwalt Harald Range erklärte 2015 im Bundestag:

„Wenn Ramstein in die Zielsteuerung eingebunden ist, geschieht dies mit Wissen und Duldung der Bundesregierung.“

Ein Souverän, der solche Operationen geschehen lässt, ohne eigene Kontrolle, ohne Mitsprache, ohne Konsequenzen – ist das wirklich ein Souverän? Carlson fragt nicht diplomatisch – er provoziert. Aber die Substanz seiner Kritik ist durch nichts zu entkräften.

NSA-Affäre – Abhören unter Freunden?

Als 2013 öffentlich wurde, dass das Handy der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel von der NSA abgehört wurde, war die Empörung zunächst groß. Merkel sagte den legendären Satz:

„Abhören unter Freunden – das geht gar nicht.“

Doch was folgte, war das Gegenteil einer souveränen Reaktion:
– Keine strafrechtlichen Ermittlungen.
– Kein Auslieferungsgesuch an Edward Snowden.
– Kein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit Biss.
– Stattdessen: diplomatische Rückzieher, politische Ausflüchte – und am Ende: Stillschweigen.

Der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprach sogar davon, dass die USA „uns einen großen Dienst erweisen“ würden. Die deutsche Regierung verhielt sich wie ein Vasall, nicht wie ein gleichberechtigter Partner. Und genau das prangert Carlson an – in seiner Sprache, mit seinem Stil, aber in der Sache nicht unbegründet.

Die vergessenen Vorbehaltsrechte – ein Tabuthema

Dass Deutschland nach 1945 besetzt wurde, ist kein Geheimnis. Dass diese Besatzung 1990 formal endete, auch nicht. Doch dass viele der alliierten Sonderrechte im Grundsatz weiter bestehen, ist bis heute ein Thema, das in deutschen Medien bestenfalls gestreift wird – nie aber systematisch analysiert.

Der Historiker Josef Foschepoth hat in jahrelanger Forschungsarbeit gezeigt, dass mit der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags zwar die äußere Souveränität wiederhergestellt wurde, aber wesentliche Bereiche – insbesondere in der Kommunikationsüberwachung und der strategischen Bündnisbindung – durch sogenannte „Geheimverträge“ geregelt blieben.

In einem Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Foschepoth 2014:

„Die alten alliierten Rechte zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs bestehen auf vertraglicher Basis bis heute fort.“

Und weiter:

„Die Bundesregierung ist nicht berechtigt, darüber öffentlich zu reden.“

Diese Aussagen wurden nie widerlegt – sondern ignoriert. Auch das ist ein Statement über die angeblich volle Souveränität Deutschlands. Carlson mag in seinen Formulierungen übertreiben – aber seine Diagnose basiert auf genau solchen verschwiegenen Fakten.

Fazit: Wenn über wesentliche Fragen der Souveränität nicht gesprochen werden darf, was ist diese dann wert?

Carlson zwingt sein Publikum, sich eine Frage zu stellen, die längst verdrängt wurde: Darf Deutschland wirklich selbst entscheiden? Oder existiert ein stilles Einverständnis mit einer geopolitischen Vormundschaft, die zwar keine Panzer mehr schickt, aber immer noch entscheidet, was gesagt, gefragt und verschwiegen wird?

Die Reaktion auf Nord Stream, die Passivität bei NSA-Enthüllungen, die Duldung der Ramstein-Aktivitäten – sie alle legen den Schluss nahe: Die vollumfängliche Souveränität existiert nur auf dem Papier. Deutschland ist eingehegt in ein fein gesponnenes System der Bevormundung und Kontrolle. Auch wenn die Aussage des Ex-Präsidenten Barack Hussein Obama mittlerweile als Falschzitat entlarvt ist, der angeblich gesagt haben soll: „Deutschland ist ein tributpflichtiger Vasallenstaat und wird es auch immer bleiben“, so trifft diese erfundene Aussage den Kern des Problems.

 

Das Carlson-Interview seziert die deutsche Gegenwart – gnadenlos

Es war ein Interview, keine Staatsrede. Kein Manifest, keine Enthüllung. Und doch traf Tucker Carlsons Auftritt bei der Bild-Zeitung einen Nerv – nicht, weil er Unbekanntes sagte, sondern weil er Unausgesprochenes thematisierte. Es war der Tonfall, die Deutlichkeit, die Unverfrorenheit – und der Umstand, dass es ein Amerikaner war, der den Deutschen ihre Schwäche vor Augen führte. Ein einziger Gesprächsmitschnitt reichte aus, um das intellektuelle Feuchtbiotop deutscher Debatten in Aufruhr zu versetzen.

Aber was genau wurde da eigentlich sichtbar? Was hat das Interview offengelegt – über Deutschland, über seine Medien, seine Regierung und seine gesellschaftliche Psyche?

Eine Reaktion voller Ausflüchte – und kein einziges Argument

Die Reaktionen waren symptomatisch. Nicht der Inhalt wurde debattiert, sondern die Legitimität der Kritik. Man sprach nicht über Ramstein, nicht über Nord Stream, nicht über Vorbehaltsrechte – sondern über Carlson: einen Populisten, einen Trumpianer, einen Medienunternehmer mit Agenda. Die Aussagen selbst? Blieben unkommentiert. Sie wurden nicht geprüft, nicht eingeordnet, nicht entkräftet – sondern schlicht: ignoriert oder entwertet.

Die Süddeutsche Zeitung nannte das Interview „eine Selbstinszenierung eines umstrittenen US-Journalisten“ – ohne auch nur eine seiner Aussagen journalistisch zu hinterfragen.
Die Tagesschau erwähnte Carlson nicht einmal, obwohl das Interview Millionen erreichte.
Die ZEIT? Schweigen. Die FAZ? Irrelevant.
Nur vereinzelte Medien wie die Berliner Zeitung oder Cicero griffen die Aussagen auf – allerdings in vorsichtiger Distanz.

Was sagt das über die deutsche Öffentlichkeit? Es zeigt: Wo die Kritik zu tief schneidet, schweigt man lieber – oder diskreditiert. Carlson lieferte keinen Diskursbeitrag, den man einordnen konnte – sondern ein Störsignal, das man unterdrücken musste.

Der Spiegel der Verdrängung

Carlsons Interview war wie ein Spiegel, den man uns vors Gesicht hielt – und der zeigte: Die makellose demokratische Fassade hat Risse. Die Meinungsfreiheit ist nicht gleichmäßig verteilt. Und die viel beschworene Souveränität ist eine Phrase, keine gelebte Realität.

Denn seine Fragen zielten auf das, was in Deutschland nicht diskutiert wird:

  • Warum duldet man, dass US-Geheimdienste deutsche Politiker überwachen?
  • Warum fragt niemand nach, wenn unsere Energie-Infrastruktur gesprengt wird?
  • Warum stehen noch immer zigtausende ausländische Soldaten auf unserem Boden?

Diese Fragen berühren den Nerv einer Gesellschaft, die sich längst an politische Ohnmacht gewöhnt hat – und gelernt hat, sie als moralische Überlegenheit zu inszenieren. Die größte Stärke der Bundesrepublik – ihr selbst auferlegter Pazifismus, ihre Bündnistreue, ihre Ablehnung nationaler Machtpolitik – ist längst zur Schwäche geworden. Doch niemand darf das sagen. Schon gar kein Amerikaner.

Ein Amerikaner sagt, was Deutsche nicht mehr sagen dürfen

Dass es ausgerechnet Tucker Carlson war, der die verbotenen Fragen stellte, ist mehr als ein PR-Coup. Es ist ein geopolitisches Symbol: Ein Amerikaner nutzt die Meinungsfreiheit – um Deutschen vor Augen zu führen, dass sie ihre eigene nicht mehr wirklich gebrauchen. In den USA darf man die Regierung kritisieren, das Militär hinterfragen, Präsidenten verhöhnen. In Deutschland hingegen wird sogar berechtigte Systemkritik oft reflexartig mit dem Stempel „rechtspopulistisch“, „russlandfreundlich“ oder „undemokratisch“ versehen.

Carlson zeigte: Deutschland ist ein Land, in dem Meinungsfreiheit formal existiert – aber faktisch konditioniert ist. Und seine Interview-Aussagen wurden zur Diagnose einer Zeit, in der das Sagbare immer enger wird.

Wer Deutschland liebt, darf es nicht kritisieren – sagen die einen.
Carlson sagt: Wer es nicht kritisiert, liebt es nicht.

In dieser Umkehr liegt der Kern der Provokation. Carlson sagt nicht, Deutschland sei schwach, weil es unterdrückt wird – sondern weil es sich selbst kastriert hat. Er beschreibt ein Land, das aus historischen Gründen gelernt hat, sich nicht mehr zu wehren – und das diese Haltung inzwischen moralisch überhöht.

Das ist polemisch. Aber es ist auch beunruhigend genau.

Ein Land ohne Widerstandskraft

Am Ende bleibt der Eindruck eines Landes, das lieber mit einem Feindbild lebt – als mit einem klaren Bild seiner eigenen Schwächen. Carlson wird deshalb nicht widerlegt, sondern „eingeordnet“. Und genau das zeigt, wie wenig Widerstandskraft das deutsche Meinungssystem noch hat. Nicht, weil es zu viele kritische Stimmen gibt. Sondern weil die wenigen, die es versuchen, sofort bekämpft werden – nicht mit Argumenten, sondern mit Etiketten.

Carlson hat mit seinem Interview nicht Deutschland „beschämt“, wie manche formulierten – sondern die deutsche Debatte entlarvt. Er hat offenbart, wie wenig Pluralismus, wie viel Kontrolle, wie viel Angst in einem Land herrschen kann, das sich selbst für ein Bollwerk der Toleranz hält.

 

Selbstzensur und Polemik – eine Abrechnung mit dem deutschen Meinungsklima

Deutschland versteht sich gern als moralische Instanz. Als Hüter der Demokratie. Als Mahner des Friedens. Doch wer genau hinsieht, erkennt ein anderes Bild: ein Land, das den Pazifismus predigt – und sich gleichzeitig in eine Kriegsrhetorik hineinsteigert, die einst undenkbar gewesen wäre.

Tucker Carlson hat genau dieses Paradox zur Sprache gebracht: ein Land, das sich selbst nicht mehr erkennt. Das sich unter dem Banner der westlichen Werte selbst entleibt. Und das – unter dem Druck außenpolitischer Bündnistreue – seine eigenen Grundsätze geopfert hat.

Vom „Nie wieder Krieg“ zur „Kriegstüchtigkeit“

Jahrzehntelang war es deutsches Staats-Credo: Nie wieder Krieg von deutschem Boden. Es war der letzte moralische Besitzstand einer Nation, die zwei Weltkriege ausgelöst hatte – und sich durch Entmilitarisierung und Bündnistreue eine neue Identität erschaffen wollte. Bundespräsidenten, Kanzler, Minister sprachen diesen Satz wie ein Mantra.

Doch dieser Satz gilt nicht mehr. Heute heißt es: „Deutschland muss kriegstüchtig werden.“ So formulierte es Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Oktober 2023. CDU-Chef Friedrich Merz forderte eine „militärische Führungsrolle in Europa“.
Und FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber sprach im ARD-Morgenmagazin offen über „Luftschläge gegen Russland als Option“. 
Die deutsche Sprache kennt viele Worte für Wandel. Doch was hier stattgefunden hat, ist kein Wandel – es ist ein Bruch mit der eigenen Nachkriegsethik.

Jugoslawien 1999 – der erste Tabubruch

Wer heute glaubt, der deutsche Pazifismus sei durch die Ukraine überholt worden, irrt. Der Bruch kam nicht 2022, sondern 1999 – mit dem Angriff auf Jugoslawien durch die NATO. Und Deutschland war nicht Zaungast, sondern Akteur.Die Bundeswehr flog Luftangriffe auf Belgrad – ohne UN-Mandat, ohne Verteidigungsfall, völkerrechtswidrig. Der damalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) rechtfertigte den Kriegseinsatz mit dem Holocaust:

„Nie wieder Auschwitz“ sei das neue „Nie wieder Krieg“.

Ein moralischer Doppelschlag, der bis heute wirkt. Zum ersten Mal seit 1945 war wieder deutsches Kriegsgerät gegen ein europäisches Land im Einsatz. Und die deutsche Öffentlichkeit? Wurde mit Bildern von Massengräbern, Konzentrationslager-Analogien und moralischer Erpressung in Zustimmung geführt.

Juristisch war der Einsatz eindeutig: ein Angriffskrieg ohne Mandat – und damit ein Bruch des Völkerrechts. Doch die Bundesregierung wertete das als „humanitäre Intervention“. Die Medien begleiteten den Einsatz überwiegend affirmativ. Die Grundsatzfrage – wie ein Land mit NS-Vergangenheit wieder zum Angreifer wurde – wurde verdrängt. Tucker Carlson deutet diese Entwicklung nicht explizit an – aber seine Diagnose trifft ins Herz:

„Ein Land, das sich selbst masochistisch geißelt für seine Vergangenheit, aber zugleich bereit ist, Kriege für andere zu führen, ist kein souveränes Land. Es ist ein Spielball.“

Krieg ist wieder möglich – solange er „gegen das Richtige“ geht

Was früher undenkbar war, ist heute Regierungsprogramm: Deutschland liefert Panzer an Kriegsparteien. Der Kanzler steht in Kiew und verspricht „so lange wie nötig“ Unterstützung. Politiker fordern Kampfjetkoalitionen, NATO-Osterweiterung, sogar Atomwaffen auf EU-Ebene. Und der Diskurs? Folgt gehorsam.

Kriegsrhetorik ist wieder normal geworden. Sie tritt nicht martialisch auf, sondern als Moral. Nicht als Angriffslust, sondern als Pflichtethik. Nicht als Gewalt, sondern als Werteverteidigung.

„Wir müssen Russland ruinieren“, sagte Außenministerin Annalena Baerbock im Januar 2023.
Der Philosoph Richard David Precht konstatierte: „Friedenswünsche sind naiv.“
Und Friedrich Merz fragte im Bundestag rhetorisch: „Wollen wir etwa zusehen, wie Putin uns Stück für Stück zerlegt?“

Doch keiner von ihnen beantwortet die Frage: Wie viel Selbstaufgabe ist nötig, um einem Bündnis zu genügen? Und ab wann wird die eigene Geschichte zur Kulisse – statt zur Lehre?

Die selektive Erinnerung und das Ende der Verantwortung

Was sich in dieser Rhetorik zeigt, ist eine zunehmende Instrumentalisierung der Geschichte: Der Holocaust wird zum moralischen Hebel für Militäreinsätze. Der Zweite Weltkrieg dient als Feindbildprojektionsfläche. Und das „Nie wieder“ wird nach Belieben uminterpretiert – je nach geopolitischem Bedarf.

Tucker Carlson spricht von Selbsthass – das ist hart. Aber gemeint ist nicht das Volk, sondern die politische Elite: eine Klasse, die gelernt hat, die eigene Vergangenheit zu missbrauchen – zur Legitimation des nächsten Bekenntnisses, des nächsten Einsatzes, des nächsten Schweigens.

Wer heute fordert, Deutschland müsse „wehrhaft“ und „kriegstüchtig“ werden, sagt damit auch: Die Nachkriegszeit ist vorbei. Aber was folgt dann? Ein Deutschland, das wieder bereit ist, Krieg zu führen – aber nicht bereit ist, die Grundlagen dieses Wandels zu diskutieren? Das ist nicht Souveränität. Das ist geopolitische Hörigkeit mit Werteüberzug.

Carlson als Katalysator einer unterdrückten Debatte

Tucker Carlson hat mit seinem Interview eine Frage aufgeworfen, die viele im Unterbewusstsein als drängend verspüren, aber kaum einer wagt, sie zu stellen:

  • Wie frei ist ein Land, das jährlich mit Milliarden Euro einen Krieg finanziert, der offensichtlich zum eignen Nachteil ist?
  • Wie souverän ist ein Staat, dessen strategische Linie aus Washington kommt – und dessen Rhetorik aus Brüssel?

Die Reaktionen auf das Interview zeigten: Nicht Carlson war gefährlich – sondern die Debatte, die er auslöste. Eine Debatte über das Ende des deutschen Pazifismus. Über die Doppelmoral der moralischen Außenpolitik. Und über ein Land, das sich selbst abschafft – nicht durch Repression, sondern durch eine fatale Mischung aus Selbstkasteiung, Gehorsam und Vergessen. Wenn ein Interview genügt, um den inneren Widerspruch einer ganzen Nation offenzulegen – dann war es kein Skandal. Es war eine notwendige Zumutung.

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